Der Wecker weckte mich kurz nach 5 Uhr, und sofort kam der Gedanke: „Noch eine Minute liegen.“ Doch ich wusste aus Erfahrung, dass aus einer Minute am Ende Stunden werden könnten. Also entschied ich mich, mich auf die Bettkante zu setzen und mich zu strecken. Mit geschlossenen Augen spürte ich mein Gewicht auf der Erde. Ich musste daran denken, wie ich dies jeden Morgen praktiziert habe, als ich noch in der Slowakei lebte. Damals kämpfte ich häufig mit Blasenentzündungen und führte ein Leben, das nur nach außen hin gesund schien. Die Schmerzen wurden immer schlimmer, also begann ich mit Akupunktur, die mich schließlich aus meinem Labyrinth von Blasenentzündungen befreite. Meine Akupunkteurin gab mir immer wieder Tipps, wie ich meine Mitte finden könnte. Einer dieser Tipps war genau das, was ich heute Morgen tat: Nach dem Aufstehen nicht sofort aus dem Bett zu springen, sondern sich langsam auf die Bettkante zu setzen und mit geschlossenen Augen zu atmen und einfach zu sein. Eine wundervolle Routine, die das SEIN so schön ermöglicht.
Ich merke, dass ich mich gerade in einer Lebensphase befinde, in der all das Gelernte, die ganze Theorie, die ich über Jahre gesammelt habe, zur Umsetzung kommt. Das bedeutet nicht, dass ich bis jetzt nichts umgesetzt habe. Es war einfach zu viel Stoff, und ich habe nie geschafft, alles gleichzeitig und über einen langen Zeitraum zu praktizieren. Kein Wunder. Dafür hätte ich wahrscheinlich einen Investor gebraucht, der meine Lebenskosten trägt, damit ich mich irgendwo im Wald aufhalten und den ganzen Tag nur für mich praktizieren könnte. Da ich kein Fan von „Sugardaddys“ bin und in dieser materiellen Welt überleben muss, blieb die Zeit für all das Gelernte knapp. Gleichzeitig glaube ich nicht, dass meine Aufgabe hier auf der Erde ist, mich von Menschen fernzuhalten und nur das Gelernte zu praktizieren und ständig Neues zu lernen. Ich war immer ein Teil dieser Gesellschaft und habe das verrückte Leben mit allem, was dazu gehört, gelebt. Ich weiß, wie wichtig es ist, Menschen zu haben, die keine Angst davor haben, sich den Herausforderungen zu stellen. Schon immer fühlte ich, dass ich eine Rolle als Retterin eingenommen habe, besonders in Beziehungen, in denen ich Menschen anzog, die wirklich gerettet werden mussten. Erst nach Jahren wurde mir bewusst, dass ich meine Aufgabe falsch verstanden hatte und dass ich Menschen die Verantwortung aus den Händen nahm, ohne darum gebeten worden zu sein. Es dauerte Jahre, bis ich zu diesem Schluss kam, und da rutschte ich selbst in eine Welt, in der Selbstliebe und Selbstachtung oberste Priorität hatten. Ich fühlte mich innerlich gut, aber ich fragte mich, ob es wirklich „mein“ Weg war, mich von allen Herausforderungen fernzuhalten und in einer Blase weiterzugehen, in der alles Liebe und Licht war.
Da kam ich zu dem Schluss, dass ich immer schon viel mit den dunklen Seiten des Lebens zu tun hatte und es vielleicht egoistisch wäre, jetzt in einem „Paradies“ bleiben zu wollen, das am Ende keinen Nutzen hat. In diesem Punkt erschien das Symbol Yin und Yang so präsent in meinem Kopf, dass ich es interpretierte, als sei ich der weiße Punkt im schwarzen Bereich des Yin-Yang-Symbols. Ab diesem Moment verstand ich, dass ich meinen Weg weitergehen muss, aber dort, wo ich wirken kann. Es wurde mir klar, warum es sich für mich nie richtig angefühlt hat, in einer Gemeinschaft oder Blase zu sein, in der alle die gleiche Richtung gehen. Vielleicht auch deswegen war es irgendwann in meinem Leben sehr schwer zu akzeptieren, dass ich in einer religiösen Richtung großgeworden bin, die mir genau dieses Blasenleben aufzwingen wollte. Es ist einfach nichts für mich. Es ist interessant, wie man durch das Leben geht und erst später versteht, warum man früher so oder so gehandelt hat, obwohl man damals vielleicht keine klare Begründung hatte. Heute weiß ich, dass ich lieber dieser weiße Punkt sein will in der „düsteren“ Gesellschaft. Ein Mensch, der seine Sinne wieder erobert hat und alles intensiver um sich herum wahrnimmt und das Leben mit offenen Augen betrachtet, kann eine sehr herausfordernde Aufgabe werden. Genau aus diesem Grund entscheide ich mich, alle Highlights zu nutzen, die ich gelernt habe, und kontinuierlich dabei zu bleiben.
Bei der Shaolin-Ausbildung von Shi Heng Yi kam die Frage auf: „Was ist mein Commitment?“ Zunächst wusste ich nicht, wie ich diese Frage verstehen sollte. Ein englisches Wort in einem deutschen Kontext kann manchmal herausfordernd sein, wenn keine der beiden Sprachen meine Muttersprache ist. Mir war es wichtig, den Sinn und die Frage richtig zu verstehen, nicht um antworten zu können, sondern um zu verstehen, was mir die Frage überhaupt sagen will. Ich habe das schlaueste Tool der heutigen technischen Welt befragt – Google, wie eine Zauberkugel, die alles weiß. Und nein, es wurde mir trotzdem nicht sofort klar, was die Frage wirklich bedeutet, bis ich mehrere Übersetzungen und Bedeutungen angeschaut habe. Ich glaube, dass wir alle so einzigartig sind, dass sogar solche Fragen auf einzigartige Weise verstanden werden können. Deswegen hätte ich vielleicht nach Gefühl gehen können, aber ich wollte trotzdem wieder tiefer in die Bedeutung eintauchen. Am Ende konnte ich meinen Lerngeist befriedigen und die Frage nochmal auf mich wirken lassen. Ich las die Frage noch ein paarmal und fand meine eigene Übersetzung: „Was ist hier mein Mantra?“ Genau das brauchte ich, um klarzustellen, was ich überhaupt mit dieser Ausbildung erreichen will. „Ich bin jetzt für mich da, um allen meinen Teilen Achtsamkeit, Zuversicht, Liebe, Respekt und Kraft zu geben. Ich mache es für mich!“
Danke für die Einsicht in dein Leben 🙂
Ja, der weiße Punkt umhüllt vom Schwarz, das kenne ich auch ganz gut. Hihi.
Du machst eine Ausbildung beim Shi Heng Yi?
Sehr gerne! 🙂
Ja habe ich die Entscheidung getroffen, dass jetzt DAS ist, was ich brauche. Mache gerade Self-Mastery und Shu Jing Gong /Qi Gong/.
Herzlichen Dank auch für diesen Beitrag, liebe EjaEra! Er hat etwas in mir angestoßen und er hat mir etwas klar gemacht. Nun arbeitet es in mir. Danke!
Die Rolle des Retters – das kenne ich auch. Auch ich habe schon vor einiger Zeit erkannt, daß ich niemanden retten kann und schon gar nicht darf. Wie Du schreibst, nehme ich dem Menschen seine Verantwortung ab – Eigenverantwortung. So kommt kein Mensch in seine ureigene Kraft, ins eigenverantwortliche Handeln, in die Selbstliebe, ins Selbstvertrauen und bleibt immer abhängig von einem „Retter“, einem „Führer“.
Unterstützung – wenn sie gewünscht, erfragt wird – ist etwas anderes.
Mir wurde irgendwann bewußt, daß ich in „der Rolle des Retters“ eigentlich mich retten wollte. Und anstatt dies zu tun, habe ich andere retten wollen. Funktioniert hat es nie. Und somit war niemand wirklich in seiner Eigenverantwortung.
Sehr gerne, liebe Renate 🙂
Es freut mich, dass meine Geschichte dich angesprochen und dir einen Impuls gegeben hat. Ja, das Thema „Retter“ war bei mir immer sehr präsent und ist auch für viele von uns ein relevantes Thema. Am Ende ist es sehr arrogant zu denken, dass gerade wir diejenigen sind, die jemanden retten können, wenn wir vielleicht selbst in dieser Ansicht unsere eigene Rettung sabotieren. Es ist eine Aufgabe, die eine gute Ablenkung sein kann, um aufzuhören „Blödsinn“ zu machen und endlich mal für sich da zu sein. Das kam mir noch dazu, als du jetzt deinen Kommentar abgegeben hast.
Liebe Grüße
Eja